Investment-Strategie auf dem Prüfstand

Aktuell gibt es in meiner Twitter-Timeline immer wieder interessante Diskussionen über typische Dividendentitel. Dabei wird das geringe Kurswachstum (mancher) dieser Unternehmen durchaus kritisch gesehen. Es stellt sich also die Frage, ob man insgesamt mit einer Wachstumsstrategie vielleicht doch besser fahren würde?

Es liegt wahrscheinlich auch an meinem Job in der IT-Branche, dass ich nach diesem Beitrag, der noch gar nicht lange zurück liegt, schon wieder einen Blick auf meine Investment-Strategie werfe. Aber die häufigen Inspect & Adapt Zyklen in Software-Projekten hinterlassen halt auch Spuren im täglichen Leben.

Anders als bei der Software-Entwicklung gibt es allerdings beim Investieren – zumindest für mich – bisher nur selten einen Grund zur Veränderung. Hier gilt ja auch eher das Sprichwort: Hin und her macht Taschen leer. Das hält mich aber nicht davon ab, mich auch hier immer wieder zu hinterfragen.

Dabei behalte ich natürlich auch meinen Anwendungsfall im Hinterkopf. Dieser lautet Dividenden als ein Standbein bei meinem ganz normalen Renteneintritt. Darüber habe ich auch hier schonmal in einem meiner seltenen YouTube-Versuche gesprochen.

Dividenden-Aktien vs. iShares MSCI World ETF

Zunächst einmal habe ich mir überlegt die Entwicklung typischer Dividendenaktien in meinem Portfolio mit meinem iShares MSCI World ETF zu vergleichen. Dank der Funktion “Märkte” in parqet kann ich das sehr einfach tun.

Der Übersicht halber – und weil es eine Limitierung des Programms ist – werde ich immer vier Aktien zum Vergleich innerhalb eines Charts heranziehen.

Fangen wir mit meinen – ich denke einigermassen typischen – Dividendentiteln aus dem (S)-Dax an.

iShares MSCI World ETF vs. (S)Dax Dividenden-Aktien (Stand 20. November 2021)

Die Deutsche Post ist hier als “Corona-Gewinner” sicherlich eine ziemliche Ausnahme und schlägt über das Jahr betrachtet sogar den MSCI World ETF. Erstaunlicherweise schlägt sich auch die Deutsche Telekom in diesem Vergleich gar nicht mal so schlecht.

Die Hamborner REIT entspricht im Kursverlauf ziemlich genau meinen Erwartungen. Da tut sich einfach nicht viel, egal in welche Richtung. Das klingt vielleicht merkwürdig, ist aber auch sehr stressfrei. Dazu kommt eine stabile Dividende mit knapp 5% Dividendenrendite.

Hochtief hat auch eine hohe Dividendenrendite mit > 5%. Der Kursverlauf ist hier allerdings nicht so wirklich erfreulich. Letzten Endes aber auch keine Aktie in die ich kurs-technisch beim Kauf besondere Hoffnungen gesetzt habe, ausser vielleicht der, nicht ganz so stark zu fallen wie es jetzt passiert ist.

Werfen wir als nächstes einen Blick auf die absoluten Dividenden-Klassiker in meinem Depot.

iShares MSCI World ETF vs. Dividenden-Klassiker (Stand 20. November 2021)

Hier ist PepsiCo kurs-technisch so ein wenig der Ausreisser nach oben, aber immer noch klar hinter dem MSCI World ETF. Ansonsten sind die anderen drei Aktien erstaunlich ähnlich gelaufen. Alle Aktien sind vom Wachstum her aber deutlich hinter dem MSCI World ETF zurück geblieben. Es ist jetzt aber auch nicht so, dass man hier wirklich Grund hätte sich zu grämen.

Ich möchte ja nicht sagen, dass wir jetzt zu den “Schrott-Aktien” in meinem Depot kommen. Hätte ich dieses Gefühl, hätte ich die Aktien verkauft. Aber es sind schon eher die Aktien deren Kursverlauf mich jetzt auch nicht gerade in Freudentaumel ausbrechen lässt. In meinem Depot liegen die Aktien so zwischen 2,17% (Verizon) bis 10,94% (Omega Healthcare) im Minus.

iShares MSCI World ETF vs. Dividenden-Aktien (Stand 20. November 2021)

Unilever und Verizon haben dabei ja noch eine eher durchschnittliche Dividendenrendite. Rio Tinto liegt hier bei über 11% und Omega Healthcare Investors immerhin noch bei etwas über 9%.

Das ist natürlich schon jeweils eine Hausnummer in einem Dividenden-Depot und zieht den Schnitt des passiven Einkommens ein Stück weit nach oben.

Es sind aber für mich auch aktuell Beides keine so richtigen Wohlfühl-Kandidaten. Es gibt eine eher gemischte Nachrichtenlage und ich muss auch so ehrlich sein zu sagen, dass ich die Geschäftsmodelle dieser beiden Unternehmen nicht so gut durchdringe wie z.B. bei einem Telekommunikations-Anbieter oder einem Unternehmen aus dem Bereich Konsumgüter.

Trotzdem bin ich weit davon entfernt eine dieser Aktien zu verkaufen, denn es gibt – zumindest für mich – keine entscheidenden “roten Flaggen” und ich denke ein “wenig rot” muss man als (Dividenden-)Investor an der Börse schon aushalten können.

Tatsächlich überlege ich sogar im Gegenteil, meine Position bei Rio Tinto noch ein wenig auszubauen und damit auch ein wenig “cost averaging” zu betreiben.

ETFs vs. iShares MSCI World ETF

Schauen wir der Vollständigkeit halber auch noch auf die ETFs in meinem Portfolio. Spasseshalber habe ich mal einen meiner anderen MSCI World ETFs mit in den Vergleich aufgenommen. Diese laufen aber in der Tat schön parallel. Hier scheint also alles stimmig zu sein.

iShares MSCI World ETF vs. ETFs (Stand 20. November 2021)

Über meine MSCI World ETFs bin ich zunächst mal gut in die typischen Wachstumswerte wie Facebook, Apple, Amazon, Alphabet und Microsoft investiert. Dazu kommen dann natürlich auch noch unter anderem Tesla und Nvidia unter den Top-Positionen.

Der Xtrackers MSCI World Information ETF treibt das durch eine stärkere Gewichtung dieser Aktien (bis auf Tesla) nochmal auf die Spitze. Entsprechend gut – und somit noch besser als der MSCI World ETF – ist der Information Technology ETF dieses Jahr gelaufen.

An dieser Stelle hole ich mir also die typischen Wachstumsaktien per Sparplan auf diese ETFs ins Depot.

Der Emerging Markets und Clean Energy ETF sind eher eine kleine Wette (Hoffnung) auf die Zukunft. Beide ETFs entwickeln sich auf dieses Jahr betrachtet allerdings deutlich schlechter als der MSCI World. Natürlich habe ich den Sparplan auf den Clean Energy ETF im Januar zur absoluten Hochphase begonnen. Naja, die Zeit wird es richten.

Beide machen allerdings auch nur einen sehr kleinen Anteil an meinem ETF-Portfolio aus. Das trifft allerdings auch auf den Information Technology ETF zu, denn der MSCI World beherrscht mein ETF-Portfolio mit einem Anteil von etwas mehr als 93%.

Und jetzt?

Bei meinen Einzelaktien habe ich aktuell eine Performance von 7,85% (ohne Dividenden) und bei den ETFs von 29,05%. Neben den Dividenden machen auch unterschiedliche Laufzeiten und frühe Fehlentscheidungen einen Vergleich an dieser Stelle allerdings nicht ganz einfach.

Aber ich bin mir bewusst: Mit meiner Strategie werde ich den MSCI World auf keinen Fall outperformen. Allerdings ist das an dieser Stelle auch nicht mein Ziel.

Würde ich aber ab jetzt komplett und stupide nur noch in den MSCI World ETF investieren wäre ich gut diversifiziert und hätte – zumindest wenn es die nächsten 15 Jahre so weiterlaufen würde – am Ende eine deutlich bessere Performance in meinem Gesamtdepot.

Für mich allerdings auch nicht ganz unwichtig: Der Spass am Investieren – und evtl. sogar auch ein wenig die Motivation – würde ein Stück weit auf der Strecke bleiben. Solche soften Faktoren sollte man meiner Meinung nach immer auch betrachten.

Was würde ich aber im Alter machen? Ich müsste dann entweder Geld aus den ETFs in Dividendenaktien umschichten. Dabei ist mir wirklich nicht klar, ob sich das dann am Ende insgesamt lohnt, da ja Dividendenaktien dann auch höher stehen werden als heute.

Ein anderes – vielleicht sogar das größte – Risiko wäre ein längerer Rücksetzer an der Börse um den Zeitpunkt meines Renteneintritts herum. Klar, dann sind auch die Dividendenaktien wieder günstiger, aber irgendwie ist das für mich alles sehr schwer greifbar muss ich gestehen. Verkauft man dann wirklich seine ETFs, wenn diese gerade vielleicht 15%, 20% oder noch stärker gefallen sind?

Alternativ müsste ich das Geld entnehmen und somit nach und nach verbrauchen. Das ist ein Vorgehen gegen das sich alles im mir sträubt. Es würde ja letzten Endes bedeuten, das investierte Geld im Alter mehr oder weniger aufzubrauchen.


Schauen wir mal auf einen direkten Vergleich zwischen der Dividenden- und Wachstumsstrategie. In diesem ersten Beispiel sehen wir, wie eine recht hohe Dividendenrendite eine entsprechend schwächere Kursentwicklung ausgleichen kann.

Jetzt werden echte Wachstumsinvestoren über ein Beispiel mit 10% Kurszuwachs vermutlich nur müde lächeln. Schauen wir mal auf die Kursentwicklung einer echten Wachstumsaktie, z.B. Alphabet, für das aktuelle Jahr.

So sieht eine Wachstumsaktie aus! Übernehmen wir diesen Wert in unser Beispiel und lassen die Dividendenaktie unverändert ergibt sich auf ein Jahr das folgende Bild

Da muss ich anerkennen, dass ich als Dividenden-Investor schon etwas neidvoll auf solche Kursgewinne rüber schiele. Aber es ist eben alles erstmal nur graue Theorie, denn das aktuelle Jahr war auch ein extrem gutes Jahr.

Schauen wir auf die Alphabet-Aktie über die letzten fünf Jahre steht da immer noch ein fettes Plus, aber man sieht eben auch, dass es auch mal Zeiträume geben kann wo es etwas weniger rasant nach oben geht.

Es ist und bleibt halt – insbesondere für einen Privatanleger wie mich – der Blick in die berühmte Glaskugel.


Letzten Endes liefert mir mein aktueller Ansatz persönlich einfach die größte Klarheit. Ich sehe die Entwicklung meines passiven Einkommens über Dividenden schon heute und kann es – zumindest einigermassen und wenn alles glatt geht – für die Zukunft extrapolieren.

Dazu kommt der sehr motivierende Faktor bereits heute ein passives Einkommen zu generieren, welches vollständig wieder in Dividendenaktien re-investiert wird.

Über meine ETFs bin ich in alle großen Wachstumswerte per Sparplan investiert und werde somit beim Renteneintritt eine zusätzliche Summe zur Verfügung haben. Damit muss ich erstmal gar nichts machen und kann auch eine größere Korrektur an der Börse auch aussitzen. Auf der anderen Seite muss ich mich durch die Nutzung des Werkzeugs ETF nicht selber bis ins letzte auskennen, welche Wachstumsaktien ich kaufen sollte. Die breite Streuung lässt mich zusätzlich gut schlafen an dieser Stelle.

Erscheint es mir später sinnvoll, wird aus den ETFs in weitere Dividendenaktien umgeschichtet. Aber auch eine (kleine) selbstgenutzte Immobilie ist eine Option. Zumindest wenn sich die Immobilienpreise in den nächsten 15 Jahren nochmal wieder auf ein normales Mass zurück bewegen sollten.

Fazit

Mein Investment-Strategie passt für mich immer noch zu 100%. Tatsächlich ist es jedesmal erfreulich am Ende eines solchen Blog-Artikels wieder zu diesem Schluss zu kommen.

Nach diesen Überlegungen kann ich aber durchaus besser verstehen, dass andere Investoren, die stärker oder sogar ausschliesslich, auf eine Wachstumsstrategie setzen, letzten Endes erfolgreicher sind.

Aus den oben geschilderten Überlegungen ist das aber für mich persönlich einfach nicht der beste Weg an der Börse. Über meinen Ansatz ca. 50% Dividendentitel als Einzelaktien und ca. 50% (auch) der üblichen Wachstumsaktien über breit gestreute ETFs habe ich das Gefühl das Beste aus beiden Welten zu bekommen.

Ob der Plan wirklich aufgeht wird sich in 15 bis 17 Jahren zeigen. Ich könnte mir vorstellen, dass ein reines Wachstumsdepot mein Depot über diesen Zeitraum – vielleicht sogar erheblich – schlagen wird. Aber ich schlafe gut und habe wenig Stress und viel Freude mit meinem Depot.

Und trotzdem gibt es natürlich auch bei diesem Ansatz noch genug Risiken, nicht das es hier zu Missverständnissen kommt! Das Risikogefühl und die Risiken die man bereit ist einzugehen oder auch überhaupt sinnvoll eingehen kann sind eine ultra-individuelle Geschichte!

Ganz verkehrt kann ich aber auch nicht liegen, schliesslich heisst das Buch von Christian W. Röhl ja auch “Cool bleiben und Dividenden kassieren” (kein Affiliate-Link) und nicht “Cool bleiben und all in Wachstumsaktien”. Welches natürlich die “richtigen” Dividendenaktien zu welchem Zeitpunkt sind, das ist nochmal eine ganz eigene Geschichte!

Am Ende macht es vermutlich wie immer die Mischung und das eigene KnowHow und die eigenen Vorlieben und diese Punkte habe ich für meinen konkreten Fall aktuell sehr genau austariert.


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Ein Gedanke zu „Investment-Strategie auf dem Prüfstand

  1. DividendenSparer Antworten

    Hallo Thomas,

    ein solcher Performancevergleich ist immer schwierig. Vor allem aber ist er eines: Theorie. Damit will ich sagen, dass die Wachstumsstrategen ihre errechnete Rendite am Ende auch irgendwie realisieren müssen. Und genau da wird’s für mich schwierig. Ich könnte mich nur widerwillig von Anteilen eines Unternehmens trennen, von dessen Geschäftserfolg ich weiterhin überzeugt bin.

    Hinzu kommt, dass ich bei der Wachstumsstrategie den stetig steigenden CashFlow vermisse, den mir meine Dividendenstrategie beschert. So wird es in meinem Fall nicht mehr ewig dauern, dass die reinvestierten Dividenden meine Aktien-Sparrate übersteigen. Auf diese Weise sieht man den Schneeball mit bloßem Auge wachsen.

    Viele Grüße
    Mike

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