Gute Zeiten, schlechte Zeiten für Anleger – Ein Gastbeitrag vom Kieler Aktionär

Gute Zeiten, schlechte Zeiten für Anleger – oder auch „Die Entdeckung der Langfristigkeit“ – Wir leben heute in interessanten Zeiten. Dies als diplomatische Formulierung dem Anfang voran gestellt. Man könnte aber auch sagen, wir leben in schlechten Zeiten für Anleger: Die Inflation ist hoch, Immobilien sind für die breite Masse fast unbezahlbar geworden und es ist aktuell zwar möglich sein Geschlecht jährlich zu wechseln, aber die freie Wahl einer Heizungsart im Neubau ist ab dem nächsten Jahr verboten.

Was sagt uns das? Es sagt nur Eines: Zeiten ändern sich. Und wenn man die aktuellen Debatten ausblendet und sich Tausende Jahre der Menschheitsgeschichte anschaut, war das schon immer so. Eines hat sich aber nie geändert: Der Wunsch der Menschen nach persönlichem Glück und Freiheit. In Tibet lebte einst Milarepa, ein Verwirklicher der buddhistischen Lehre, nackt in einer Höhle und ernährte sich von Gras. Ich habe seine Lebensgeschichte und seine Liedertexte über das höchste Glück gelesen und bewundere ihn als einen vollkommenen Philosophen der damaligen Zeit. Aber …

Bist Du ein Milarepa? Dann benötigst Du kein Geld. Alle Anderen müssen sich jedoch mit Geld, Vermögenswerten und dem Erhalt der finanziellen „Freiheitsgrade“ auch, oder gerade im Alter, auseinander setzen. Finanzieller Spielraum ist in unserer Gesellschaft ein wichtiger Teil der persönlichen Freiheit. Wer jung ist, blendet das häufig noch aus. Ein böser Fehler – Zeit ist für den Durchschnitts-Anleger vermutlich die wichtigste Einflussgröße. In der Schulbildung müsste eigentlich der Zinseszins-Effekt und das Investieren ein eigenes Fach sein.

Sehr positiv sehe ich heute, wieviele junge Menschen sich mittlerweile zum Beispiel auf Twitter treffen, um über Aktien und andere Anlageformen zu schreiben und sich gegenseitig zu informieren. Auch der seit einigen Monaten in Kiel existierende Börsen-Stammtisch ist mir sehr ans Herz gewachsen. Der Austausch unter Gleichgesinnten ist absolut bereichernd.

Umdenken

Tatsächlich haben auch bei mir, als langjährigem Investor in verschiedene Assets, die Diskussionen der letzten Zeit ein Umdenken bewirkt. Nicht grundsätzlich, da ich mit den meisten meiner Investments sehr zufrieden bin. Aber ich habe angefangen, den Aspekt des langfristigen Vermögenserhalts noch stärker in den Fokus zu nehmen. Das derzeitige Tauziehen zwischen Bullen und Bären lässt für mich keine absolute Schlussfolgerung zu, wer Recht haben wird. Die Inflation – jetzt anscheinend leicht abflachend – kann mit Wucht nochmal zuschlagen. Eine Rezession ist möglich, sogar ein Deflations-Szenario mit Weltwirtschaftskrise ist nicht unmöglich. Wer bislang mehr oder weniger nur einen Bullenmarkt erlebt habt, dem fehlt vielleicht die Erfahrung oder Fantasie, was das bedeutet.

Die Preise für die meisten Assets würden fallen. Unter Umständen auch lange. Der S&P 500 hat bereits seit der Jahrtausendwende zwei Phasen gehabt, wo alte Höchststände erst nach 6 oder mehr Jahren wieder erreicht wurden. Im vorherigen Jahrhundert gab es noch längere Phasen des Rückgangs oder der Stagnation. Kommen noch die geopolitischen Spannungen mit Russland, China, Iran und Nordkorea als reale oder potentielle Risiken hinzu. Da fragt man sich als Anleger, soll man überhaupt noch investieren?

Selbstverständlich. Cash als Not- und Investitionsreserve ist sehr sinnvoll – nur Cash „verbrennt“ bei der derzeitigen Inflation den halben Geldwert in nur 8-9 Jahren. Ich habe mir daher aktuell die Frage gestellt, wie gut bin ich aufgestellt und wo investiere ich weiterhin.

Und die erste Frage, die ich mir dabei stelle, ist „Was ist ein Vermögenswert, der in 10 oder besser 20 Jahren, mit sehr hoher Sicherheit auch noch ein werthaltiges Asset ist?“

Bei Immobilien bin ich mir sicher, sofern gute Lage, guter Zustand und man selber etwas davon versteht. Aber derzeit als neue Investition für mich noch zu teuer. Gold ist ebenfalls eine gute Anlage für Krisenzeiten, sofern man das glänzende Metall als Versicherung versteht und einen einstelligen Prozentsatz seines Vermögens investiert. Damit ist Menge des Gold-Invests allerdings auch schon limitiert und bei mir bereits erfüllt. Anleihen als sicherer Hafen sehe ich bei negativer Realverzinsung als tendenziell schlechtes Geschäft. Bitcoin ist zu jung, um eine Aussage über Investitions-Sicherheit für ein oder zwei Jahrzehnte und länger zu treffen.

Bleiben noch Anteile an Unternehmen aka Aktien. Ja, unbedingt! Aktien sind eine Anlageklasse, die über einen langen Horizont durchschnittlich stets eine gute Rendite erzielt haben, die die Inflation langfristig bislang immer überstieg. Natürlich nicht alle Aktien, sondern der Durchschnitt des Marktes der westlichen Industrie-Nationen.

Kombiniert man diese Aussage mit den Ergebnissen von vielen Statistiken und Studien, daß sowohl die meisten Kleinanleger als auch professionelle Fondsmanager es nicht dauerhaft schaffen, die großen Indizes im Durchschnitt zu schlagen, bleibt der Griff nach einem oder mehreren ETFs wohl der beste, allgemein gültige Ratschlag für langfristig orientierte Anleger.

Die Entdeckung der Langfristigkeit

Für meinen Teil halte ich es gerne einfach. Der simple Vergleich der großen Indizes ergab folgendes Bild über letzte 10 / 20 Jahre:

Nasdaq + 360 % / + 1.080 %
S&P500 + 160 % / + 350 %
Dow Jones + 130 % / + 300 %
DAX + 100 % / + 430 %

(Quelle Baha, Zahlen gerundet)

Vergleich Nasdaq mit Berkshire über 10 Jahre

Nimmt man dazu noch die Zusammensetzung der Indizes und sieht die Tech-Orientierung im Nasdaq als größten Zukunftsmarkt, ist ein ETF auf den Nasdaq als langfristiges Investment wohl eine ziemlich gute Sache. Kurzfristig unterliegt der Index sicher aufgrund der derzeitigen Dominanz und hohen Bewertung einiger big player (z.B. Apple und Microsoft) natürlich Kursrisiken. Wir reden hier jedoch über die „Entdeckung der Langfristigkeit“ …

Vergleich Nasdaq mit Berkshire über 20 Jahre

Die Vorteile sind aus meiner Sicht: die Entwicklung einzelner Unternehmen braucht einen nicht sonderlich zu interessieren, die Kosten sind sehr niedrig und man hat viel mehr Zeit philosophische Bücher zu lesen. Oder zu entdecken, daß man auch mit seiner Ehefrau tolle Gespräche führen kann. In diesem vergnüglichen Sinne …

Euer Kieler Aktionär

Abschliessend bleibt eigentlich wie immer, Folgendes zu sagen: Das beste Risiko-Management ist immer noch Diversifikation und mein Beitrag ist lediglich ein mit Euch geteilter Gedanke zur Debatte. Es ist keine Anlageberatung oder Empfehlung. Mein besonderer Dank heute gilt Tom (@aktientraum) für die Veröffentlichung auf seinem Blog und Jochen (@moneymagister) für seine besonderen Anregungen beim letzten Börsen-Stammtisch Kiel zu diesem Thema.


Haftungsausschluss: Bei AktienTraum handelt es sich um eine rein private Seite zu Unterhaltungszwecken. Dies ist in keiner Form eine Anlageberatung und die behandelten Themen stellen keine Empfehlung zum Kauf oder Verkauf von Aktien oder anderen Wertpapieren da.

Ein Gedanke zu „Gute Zeiten, schlechte Zeiten für Anleger – Ein Gastbeitrag vom Kieler Aktionär

  1. Vanlife Antworten

    Gut und verständlich geschrieben – auch für Börsenneulinge. Die getroffenen Aussagen sind absolut nachvollziehbar- aktuell exakt meine Anlagestrategie.

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