Fallende Aktienkurse – Chance vs. Panik

Die letzten Tage ging es an der Börse seit langem mal wieder bergab. Darunter hat auch mein Portfolio ganz gut gelitten. Und machen wir uns nichts vor: Auch wenn fallende Kurse immer als Chance für einen Nachkauf gehandelt werden, macht es viele Privatanleger schon ein Stück weit nervös. Besonders wenn es auf breiter Front runter geht und die Farbe rot im Depot auf einmal dominiert.

Und nur damit hier keine Missverständnisse auftreten: Wir reden hier nicht über einen Crash wie z.B. zu Beginn der Corona-Pandemie im März letzten Jahres. Das hier ist erstmal nur eine ganz normale Korrektur, denn es kann einfach nicht immer nur bergauf gehen an der Börse.

Wobei wir hier natürlich unterschiedliche Anlagezeiträume betrachten müssen. Die “Kaufen & Halten”-Fraktion – zu der ich mich auch zähle – gehen natürlich schon davon aus, daß die Kurse langfristig steigen. Ob dies allerdings für viele, einige oder kein Unternehmen im eigenen Depot gilt, kann einem leider niemand im voraus sagen.

DAX Kursindex aus Google Finanzen – Stand 13. Mai 2021

Der DAX Kursindex (nicht der oft etwas verpönte Performance-Index) ist z.B. in den letzten fünf Jahren um ca. 29% gestiegen. Hier ist aber wichtig zu verstehen, daß dies ein Mittelwert über alle enthaltenen Unternehmen ist.

Wer sein Geld vor fünf Jahren in Wirecard investiert, und den Absprung verpasst hat, ist seine investierte Kohle nach einem Höhenflug heute komplett los.

Wirecard Kursverlauf aus Google Finanzen – Stand 13. Mai 2021

Betrachten wir stattdessen die Aktie des RWE Konzern, so steht dort ein Plus von stattlichen 147% für denselben Zeitraum. Kleiner Fun Fact am Rande: Ich bin deutlich früher – und damit zu einem deutlich höheren Kurs – bei RWE eingestiegen und liege hier aktuell um die 50% im Minus.

RWE Kursverlauf aus Google Finanzen – Stand 13. Mai 2021

Soviel als kleine Aufwärmübung. Jetzt kommen wir aber zum eigentlichen Thema der fallender Aktienkurse.

Panik? Keine Panik!

Zunächst einmal muß man sich immer wieder klar machen, daß unsere Börse ein echtes Sensibelchen ist. Gibt es schlechte Nachrichten – wie aktuell z.B. stark steigende Inflation in den USA – dann kann die Talfahrt schon los gehen. Es gibt im Bereich der Börse ein – zumindest für mich – nahezu undurchschaubares Geflecht von Zusammenhängen und Interaktionen. Daher bin ich einfach immer wieder dankbar, daß es YouTube-Kanäle wie den von Markus Koch gibt. Dort wird die Börse auf Tagesbasis – zumindest soweit es möglich ist- wirklich gut erklärt.

Gehen die Kurse also auf breiter Front runter, so ist dies im allgemeinen eher kein Problem der einzelnen Unternehmen an sich in die man investiert ist. Hier geht es dann eher um die besagten Interaktionen der Börse mit externen Faktoren. Auf diese haben selbst große Unternehmen oft keinen wirklichen Einfluß. Leider kommen wir hier oft auch in den Bereich der sehr unberechenbaren Einflüsse von Politik.

Als jemand der erst ein paar Monate nach dem “Corona-Crash” im März letzten Jahres so richtig an der Börse eingestiegen ist, muß ich ganz ehrlich gestehen: Das hätte mich damals schon mehr als nur ein wenig nervös gemacht. Und ich bin mir auch nicht sicher, ob ich da sofort nachgekauft hätte. Allerdings hätte ich auch auf keinen Fall verkauft, denn das macht einfach überhaupt keinen Sinn. Hierfür ist es natürlich wichtig, daß man nicht kurzfristig auf investiertes Geld angewiesen ist. Definitiv hätte ich aber mehr als nur ein wenig schwitzige Hände gehabt.

Anders sieht es aus, wenn einzelne Unternehmen starke Kursverluste erleiden während der Markt insgesamt neutral oder sogar positiv notiert. Hier ist definitiv eine Analyse notwendig. Man sollte dann für sich bewerten, ob es sich um eine temporäre Schwäche des Unternehmens handelt – z. B. schlechte Quartalszahlen aufgrund von Corona – oder ob ein strukturelles Probleme zu vermuten ist. In letzterem Fall muß man sein Investment ggf. überdenken. Dies ist letzten Endes die viel beschworene Eigenverantwortung, die einem an der Börse auch niemand abnehmen kann.

Chance – Möglich, aber bitte nicht um jeden Preis!

Kommen wir zum Abschluss noch auf das Thema des Nachkaufens als Chance, wenn die Börse insgesamt schwächelt. Hier gibt es sicherlich sehr unterschiedliche Strategien. Persönlich versuche ich ohnehin jeden Monat eine gewisse Quote in Aktien zu investieren – neben den ETF-Sparplänen, die ohnehin laufen. Stichwort “Time in the Market” vs. “Market Timing”.

Dabei halte ich eine – nicht allzu große – Menge Kapital für den Fall zurück, daß es zu Rücksetzern kommt. Damit kann ich dann ggf. in so einem Moment nochmal weiter nachkaufen. Fallen die Kurse dann aber weiter, oder ist die Börse wohlmöglich in einer längeren Abwärtsbewegung, muß ich dann halt wieder bis zum nächsten Monat warten. Vielleicht sind die Kurse ja bis dahin sogar noch weiter gefallen. Alles andere ist letzten Endes eine Form von Market Timing, in der ich zumindest für mich kein Erfolg versprechendes Modell sehe.

Egal wie groß die vermeintliche Chance gerade ist: Kapital welches ich nicht habe kann ich auch nicht investieren. Dabei gibt es jetzt verschiedene Abstufungen sich selber etwas vor zu machen. Man zieht Investitionen aus Folgemonaten vor. Dies ist im Prinzip ein Kredit bei meinem zukünftigen Ich. Dazu habe ich hier schonmal meine Gedanken zu Papier gebracht. Spoiler: Rückblickend halte ich das für eine schlechte Idee. Man kann – wenn vorhanden – Geld aus einem anderen Topf nehmen. Dann stellt sich allerdings die Frage warum man das ursprünglich anders geplant hatte? Ist die aktuelle Chance wirklich so groß bzw. einmalig, daß man seine Planung über Bord wirft? Eher nicht! Und dann gibt es die sicherlich allerschlechteste Idee mit geliehenem Geld zu agieren. Wer das tut geht extrem ins Risiko und könnte genauso gut auch im Casino alles auf rot setzen.

Kleines Rechenbeispiel zum Schluß

Nehmen wir als Beispiel nochmal die RWE Aktie und es ist September im Jahr 2016. Die Aktie fällt zwischenzeitlich von 15€ auf 12€. Ich verpasse diese Chance und kaufe erst als die Aktie wieder bei 13,20€ steht. Damit kaufe ich zu einem 10% höherem Kurs als es möglich gewesen wäre, könnte ich in die Zukunft schauen. Schauen wir uns nun die langfristige Entwicklung über fünf Jahre an unter der Annahme es wurden 100 Aktien gekauft.

EinstandskursKurs nach fünf JahrenKursgewinn
12,00 € / 1.200,00 €31,00 € / 3.100,00 €1.900,00 €
13,20 € / 1.320,00 €31,00 € / 3.100,00 €1.780,00 €

10% Unterschied beim Einstandskurs sind schon eine Hausnummer. Oft reden wir hier vermutlich eher von einer Differenz zwischen 2% und 5%, es sei denn es gab einen richtigen Crash. In diesem Beispiel betrachten wir dann einen Zeitraum von fünf Jahren und kommen auf eine Differenz im Kursgewinn von 120€. Das ist recht logisch, da es schlicht der Unterschied zwischen den Einstandskursen ist. Natürlich ist das nicht wenig Geld. Aber gerade wenn man auch noch die ausgeschütteten Dividenden über diesen Zeitraum betrachten würde, wird die Differenz – zumindest für mich – gefühlt immer unbedeutender.

Den Kursrückgang über den wir hier gerade aktuell sprechen ist in einem absolut normalen Rahmen am Markt. Trotzdem korrigieren einzelne Werte immer stärker als andere und man muß genau schauen, ob es hier wirklich Chancen gibt oder alles im normalen Rahmen ist. Es muß aber noch einiges mehr passieren, bis wir hier von einer breiten Korrektur sprechen würden.

An diesem Beispiel kann man jetzt natürlich noch die Anzahl der gekauften Aktien variieren. Je größer die Anzahl der Aktien, desto größer natürlich später – bzw. von vorn herein – der Unterschied im Kursgewinn. Das obige Beispiel ist denke ich für den durchschnittlichen Privatanleger durchaus realistisch.

Jeder freut sich über einen Schnapper. Sei es beim Aktienkauf oder auch sonst. Für Anleger mit einem langen Anlagehorizont rechtfertigen die möglichen zusätzlichen Erträge aber sicherlich keinen panischen Aktionismus. Am Ende wird man ja auch nicht immer beim schlechtesten Kurs kaufen und auch nicht immer beim Besten. Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen.

Also cool bleiben, Aktien und ETFs einsammeln und Dividenden kassieren und vor allen Dingen nicht verrückt machen lassen (frei nach Christian W. Röhl und H. Heussinger).


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